1860-1919

Feuer-Lösch-Anstalt

Bevor anfangs der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr in Grünstadt erfolgte, wurden die Aufgaben des Brandschutzes von einer «obligatorischen Wehr» wahrgenommen. Diese bestand aus eigens zur Gefahrenabwehr von der Gemeinde besonders verpflichteten Bürgern. Die Anzahl der in diesen frühen Jahren, in denen die Technisierung in das Brandschutzwesen noch keinen Einzug gehalten hatte, benötigten Personen war beträchtlich. So umfasste die Wehr entsprechend einem «Verzeichnis der bei der Feuer-Lösch-Anstalt zu Grünstadt, nach dem Beschlusse des Bürgermeisteramtes von da, vom 7. Dezember 1843 angestellten Personen» eine Gesamtzahl von 113 Mann. Allein zum Bedienen der ersten Feuerspritze war eine Mannschaft von sechzehn Wehrleuten erforderlich. Welche Vorkehrungen im Falle eines Brandes durch die Bevölkerung getroffen werden mussten, kommt im Ortspolizeibeschluss von Grünstadt aus dem Jahre 1868 zum Ausdruck:

«Wenn nachts ein Brand ausbricht, sind die Bewohner verpflichtet, mit brennenden Lichtern versehene Laternen vor ihre Wohnung zu hängen und zwar solange, bis die Gaslaternen angezündet sind, Bei Glatteis ist sofort die Straße mit Sand oder Asche zu bestreuen. Die Hauseigentümer, die Brunnen in den Häusern haben, sind verpflichtet vor ihrer Behausung eine Bütte mit Wasser, solange der Brand dauert, stets gefüllt zu halten. Sämtliche hiesigen Küfer und Bierbrauer haben bei dem ersten Feuerruf mit Bütten an der Brandstelle zu erscheinen. Bei strenger Kalte haben die Brauerei- und Brennereibesitzer heißes Wasser für die Spritzen bereitzuhalten. Die Fuhrwerksbesitzer mit Lott und Pfuhlfass haben ungesäumt Wasser an die Brandstelle zu bringen. Wer das erste Fass an die Brandstätte bringt, erhält eine Belohnung von vier und wer das zweite Fass bringt eine solche von zwei Gulden.»

Bis 1855 waren die Gerätschaften der Feuerwehr Grünstadt in einem «Spritzenhäuschen» beim Eingang zur Martinskirche untergebracht. Es wurde 1857 abgerissen und das Gelände an die Protestantische Kirchengemeinde verkauft. Von 1855 an diente ein Raum im alten Rathaus in der Hauptstraße fünfzig Jahre lang der Aufbewahrung der Feuerwehrgeräte, bevor er 1905 zum Sitzungssaal des Stadtrates umgebaut wurde.

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Feuerwehr-Gräteraum von 1866 – 1905 (danach Sitzungssaal des Stadtrates)

Die Freiwillige Feuerwehr

Während bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ein nicht unerheblicher Teil in der «Feuerlöschanstalt Grünstadt» aus freiwilligen Helfern bestand, war im formalen Sinne bis dahin noch keine Gründung einer Freiwilligen Wehr erfolgt. Erst im Jahre 1860 kam das überwiegend vorhandene Anliegen der Allgemeinheit zum Trogen, eine «gehörig organisierte Freiwillige Feuerwehr zu besitzen». So wurde erstmals in diesem Jahr eine Freiwillige Wehr gegründet, die allerdings nicht allein verantwortlich ihren Dienst versah, sondern neben der immer noch existierenden Pflichtfeuerwehr ihren Bestand hatte. Wie in vielen anderen Gemeinden der Umgebung wurden auch in Grünstadt zunächst die Turner herangezogen. Der damals in besonderem Maße vorhandene Turnergeist stellte die Grundlage Idealismus geprägte Leistungen dar.

Im Jahr der Gründung war die Zahl der freiwilligen Wehrleute im Verhältnis zu ihren Kameraden von der Pflichtwehr noch sehr gering. In dem ältesten noch vorhandenen Protokollbuch des «Freiwilligen Feuerwehrkorps» aus dem Jahre- 1867 steht zu lesen, dass jeder Feuerwehrmann eine blaue Bluse tragen soll, die für eigenes Geld anzuschaffen sei. Die Pompiers, Steiger und Ausräumer erhielten rote und weiße Armbinden. Gürtel und Mütze wurden durch den Verein gestellt. Schon im Jahr 1868 wurde als Ziel festgelegt, die immer noch vorhandene Pflichtfeuerwehr nach und nach zu verkleinern und bei einer ausreichenden Starke der Freiwilligen Wehr jene sodann aufzulösen.

Im Jahr 1876 bestand die Freiwillige Feuerwehr aus 48 Mann, die obligatorische Wehr aus 206 Personen. Wie rasch sich der Gedanke, seine Kraft in selbstloser Weise der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, verbreitete, kann aus der Zahl der 1880 eingesetzten freiwilligen Wehrleute ermessen werden, die in diesem Jahr 131 Mann betrug. Innerhalb eines Zeitraumes von nur vier Jahren hatte sich die Mannschaftsstärke nahezu verdreifacht.

Dennoch war auch in der Folgezeit eine Pflichtfeuerwehr noch vorhanden, Die Gesamtstärke der Feuerwehr Grünstadt erhöhte sich ständig. Im Jahr 1891 bestand die Wehr aus insgesamt 317 Mitgliedern. Diese Zahl stieg in den nächsten Jahren auf den bislang höchsten Mannschaftsstand in der Geschichte der Feuerwehr Grünstadt von 410 Angehörigen im Jahre 1923 an. Durch eine Wasserleitung, mit deren Bau im Jahre 1892 begonnen wurde, konnte an 47 Stellen im Stadtgebiet Wasser entnommen werden. Damit konnte die Wasserversorgung, die bislang als eines der größten Probleme der Feuerwehr anzusehen war, entscheidend verbessert werden. Der personal intensive Einsatz von Wasserträgern unter Einbeziehung der gesamten Bevölkerung zum Bereitstellen von Löschwasser war nicht mehr erforderlich.

Im Jahr 1904 erwarb die Stadt am Luitpoldplatz neben dem damaligen Restaurationsbetrieb «Luitpold» – der späteren Stadthalle, heute steht dort das Weinstraßen-Center – für 10.500,- Mark Anwesen und Scheune der Familie Dreuer. Die vierzehn Meter lange und zehn Meter breite Scheune wurde für 2.500,- Mark zur Unterbringung der Gerätschaften umgebaut. Das Spritzenhaus bot jahrelang einen originellen Anblick durch ein angedeutetes «Gesicht» auf dem Schlauchturm. Der Aufsatz des Schlauchturms ist heute im Gerätehaus ausgestellt.

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Spritzenhaus von 1906 – 1936 auf dem Luitpoldplatz